Veranstaltung: | Programm zur Kommunalwahl des Ortsverbandes Mühlheim am Main |
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Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 09.12.2020, 16:47 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A4NEU2: Globalalternative - STADTENTWICKLUNG & WOHNEN: BEDARFSORIENTIERTER WOHNUNGSBAU - SOZIAL, ÖKOLOGISCH, NACHHALTIG
Text
Das Rhein-Main-Gebiet ist eine Wachstumsregion - auch in Mühlheim sind die
Folgen dieser Entwicklung zu spüren. Die sozial problematischen und
umweltschädigenden Folgen müssen für Mühlheim gebremst und planerisch bewältigt
werden. Der Klimawandel erschwert das Wohnen durch hohe Sommertemperaturen,
Dürre und Trockenheit und führt zu einer Konkurrenz zwischen
Wohnflächennachfrage und nachhaltiger Flächennutzung. Gleichzeitig leiden
zuzugswillige Wohnungsinteressent*innen sowie viele Mühlheimer*innen unter dem
begrenzten Wohnungsangebot und dem hohen, teilweise unbezahlbaren Mietniveau.
Hier ist eine nachhaltige, sozialgerechte und umweltorientierte Entwicklung des
Mühlheimer Stadtgebiets gefragt. Wir fordern deshalb eine nachhaltige und
qualitativ hochwertige Stadtentwicklungsplanung, die Bürger*innen nicht als
lästige Verfahrensbeteiligte sieht, sondern die Weichen für eine demokratische
Planungskultur stellt. Die Bedürfnisse der Bürger*innen müssen in den
Mittelpunkt gerückt werden - und nicht parteipolitischen Interessen.
NACHHALTIGE STADTENTWICKLUNG
Wir GRÜNEN stehen für eine inhaltliche Neuausrichtung der Stadtentwicklung. Es
braucht einen nachhaltigen, zukunftsorientierten und das gesamte Stadtgebiet
umfassenden Stadtentwicklungsplan - wie beispielsweise in Offenbach, Hanau und
Seligenstadt. Dieser muss in einem umfassenden Bürger*innendialog diskutiert und
mit unterschiedlichen Interessengruppen in einem „Masterplan Mühlheim 2040“
ausformuliert werden, der künftig als grundlegende Leitlinie aller planerischen
Einzelmaßnahmen dient.
Es braucht eine Überarbeitung von Gebiets- und Stadtstrukturen mit besonderen
Schwerpunkten auf ökologischen Zielen – mit der Unterscheidung zwischen Schutz-
Zonen (Wald, Streuobstwiesen, Naturschutz, Landschaftsschutz, Wasser) und Nutz-
Zonen (Wohnen, Gewerbe, Mischgebiete) – und damit eine Aktualisierung und
Überprüfung von nicht mehr aktuellen Gebietsausweisungen. Anstatt an
überalterten Bebauungsplänen festzuhalten, die den Zielen von Nachverdichtung
und Klimaschutz widersprechen, müssen soziale, wirtschaftliche und ökologische
Aspekte berücksichtigt werden. Die Werkzeuge des Baugesetzbuchs, die die Stadt
und die Parlamentarier*innen zur Verfügung haben, müssen unbedingt genutzt
werden, um Mühlheim zukunftsfähig zu machen.
MENSCHENNAHE STADTPLANUNGSPOLITIK UND BÜRGER*INNENBETEILIGUNG
Ein Kulturwandel in der Mühlheimer Planungspolitik beinhaltet einen umfassenden
Bürger*innendialog über die künftige Entwicklung der Stadt - egal ob beim
stadtübergreifenden Entwicklungsplan oder bei lokalen Bebauungsplanungen, die
konkrete und einschneidende Auswirkungen auf die Anwohner*innen haben. In
benachbarten Kommunen ist dies Standard, in Mühlheim fehlt diese Praxis jedoch
gänzlich. Dieser Dialog kann in Bürger*innenworkshops und unter Beteiligung der
heimischen Wirtschaft und der Vereine durchgeführt werden.
Die Einrichtung eines Gestaltungsbeirats, der mehrmals im Jahr die Stadt bzw.
städtische Wohnungsbauunternehmen und private Bauherr*innen in Gestaltungsfragen
bei wichtigen, das Stadtbild prägenden Bauvorhaben berät, ist für uns zwingend
zu prüfen. Die Beiratsmitglieder müssen hierbei interessenunabhängig sein und
dürfen nicht in Mühlheim wohnen bzw. hier Planungsaufträge annehmen. In vielen
Städten und Gemeinden wurde inzwischen bewiesen, dass damit die Neutralität
qualifizierter Berater gewährleistet bleibt. Allerdings erfordert dies auch eine
Öffnung der politisch Zuständigen wie der Bauverwaltungen der Stadt und des
Kreises für Fragen der Gestaltungsqualität von Bauvorhaben. Das bedeutet
menschenorientierte Stadtplanung, wie sie das Baugesetzbuch vorsieht, diese in
Mühlheim aber seit vielen Jahren ignoriert wird. Qualitätvolles Planen und Bauen
darf sich nicht mit der Erfüllung von Mindeststandards der hessischen Bauordnung
zufriedengeben.
Insbesondere im Falle größerer Neubaugebiete und einschneidender Baumaßnahmen
ist eine Verbindung von offensiver wie fachlich engagierter Stadtplanung und
intensiven Beteiligungsverfahren, welche die Anliegen der Mühlheimer*innen und
insbesondere der betroffenen Anwohner*innen berücksichtigt, notwendig. Zudem
setzen wir uns im Zuge der Planungsbeauftragung für eine externe und unabhängige
Begutachtung sowie für öffentliche Ausschreibungen und Entwurfswettbewerbe ein.
Den Wünschen und Renditeerwartungen von Investor*innen und Immobilienunternehmen
darf die Stadt Mühlheim nicht weiter nachlaufen. Projekte wie auf dem ehemaligen
Gärtnerei-Gelände am Wingertsweg in Dietesheim oder dem ehemaligen Traveller-
Gelände an der Kolpingstraße in Lämmerspiel sind das Ergebnis der die Interessen
der Bürger*innen wie auch großräumige bzw. gesamtstädtische Ziele ignorierende
Planungspolitik der vergangenen Jahre. Ein weiteres Beispiel hierfür kündigt
sich nun auf dem Waitz-Gelände in Lämmerspiel an.
BEZAHLBARER WOHNRAUM UND SOZIALGERECHTE BODENNUTZUNG
Eine soziale und bürger*innenfreundliche Infrastruktur muss durch eine
nachhaltige Stadtentwicklung aufrechterhalten und fortlaufend angepasst werden.
Eine bedarfsgerechte Versorgung mit Kindertagesstätten-, Grundschul- und
Betreuungsplätzen, mit Pflegeplätzen und altersgerechten Wohnungen für
Senioren*innen und mit bezahlbarem Wohnraum für einkommensschwache
Wohnungssuchende wie junge Familien, Auszubildende und Studierende muss bei
wachsenden Einwohner*innenzahlen mitgedacht werden.
Im Rahmen der sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN) müssen – insbesondere bei
größeren Neubaumaßnahmen - Investor*innen ausreichend zur Finanzierung der
Folgekosten ihrer Projekte herangezogen werden. Mit städtebaulichen Verträgen
sind - im rechtlich zulässigen Umfang - die leistungslosen privaten
Planungswertgewinne der Baumaßnahmen zur Finanzierung des geförderten
Wohnungsbaus und der verkehrlichen und sozialen Infrastruktur wie
Kindertagesstätten und Grundschulen heranzuziehen. Die exorbitanten
Bodenwertsteigerungen der letzten Jahrzehnte – auch in Mühlheim – dürfen bei
Investor*innenprojekten und damit zusammenhängenden Bebauungsplanverfahren nicht
allein der privaten Gewinnmaximierung dienen. Es muss hier zudem eine
verpflichtende Quote von insgesamt mindestens 40 Prozent für sozialen
Wohnungsbau, Baugenossenschaften und gemeinschaftlichem Bauen bzw. Baugruppen
festgelegt werden. Insbesondere falls die Stadt Mühlheim Grundstücke verkauft,
muss dessen Bebauung an strenge ökologische und sozialgerechte Bedingungen
geknüpft werden. Die Anwendung des Baugebots, das bezweckt, dass
Vorhaltegrundstücken nicht unbebaut zur Profitmaximierung missbraucht, sondern
als Baugrundstücke für Wohnraum genutzt werden, muss geprüft werden.
Es muss insgesamt eine signifikante Erhöhung der Anzahl an preiswerten Wohnungen
und Sozialwohnungen stattfinden, damit mehr bezahlbarer Wohnraum für alle
Lebensphasen geschaffen wird. Insbesondere muss mehr sozialer Wohnungsbau nicht
nur durch die städtische Wohnbaugesellschaft stattfinden und in Bebauungsplänen
verankert werden. Zudem muss die Verlängerung der Sozialbindung von bisherigen
Sozialwohnungen weiterhin geprüft werden.
Wir wollen einen qualifizierten Mietspiegel für die Stadt Mühlheim erstellen und
diesen nach zwei Jahren aktualisieren, damit er vor Gericht Gültigkeit behält.
Hiermit wollen wir bezahlbaren Wohnraum durch Begrenzung der
Mieterhöhungsmöglichkeiten sichern und den Mieter*innen Rechtsschutz sowie eine
Handhabe gegen Mietwucher geben.
Wir unterstützen zudem die Entwicklung einer Strategie zur Förderung von
Umzugsketten oder zum Wohnungstausch. Ziel ist zum Einen der Verbleib in der
Nachbarschaft, zum Anderen die Übernahme von Umzugs- und Renovierungskosten
sowie die Sicherung des derzeitigen Mietniveaus für beide Parteien. Zur
Finanzierung könnten die Einnahmen der Stadt aus der Fehlbelegungsabgabe
verwandt werden. Zudem wollen wir den Wohnheimbau für Auszubildende und
Studierende fördern und Pilotprojekte des Mehr-Generationen-Wohnens
unterstützen.
ÖKOLOGISCHE STADTENTWICKLUNG
Neben sozialen müssen insbesondere ökologische und klimatologische Betrachtungen
bei der Schaffung von neuem Wohnraum berücksichtigt werden. Dies heißt, dass bei
der Ausweisung von Neubaugebieten Frischluftschneisen für die Kaltluftzufuhr
nicht zugebaut, Grünflächen nicht versiegelt und Flussläufe nicht eingeschränkt
werden dürfen. Es benötigt eine flächenschonende Bauweise, in der durch
Nachverdichtung Fläche bzw. Wohnraum effektiv genutzt wird.
Eine Netto-Null-Versiegelung soll angestrebt und Entsiegelungsprogramme sollen
gefördert werden. Dies bedeutet insbesondere, dass wenn eine Versiegelung
unumgänglich ist, entsprechende Ausgleichsflächen vor der Versiegelung
geschaffen werden müssen.
Auf das B-Plan-Verfahren Nr. 81 zwischen Mühlheim und Dietesheim soll verzichtet
werden, damit keine Verbauung des landschaftlichen Freiraums mit Blickverbindung
zum Mainuferbereich ermöglicht wird.
Einer Diskussion über die Chancen und Risiken einer Wohnbebauung im Augenwald-
Bereich stimmen wir nur zu, wenn von vorneherein weitreichende Forderungen im
Verfahren zwingend gesichert werden können: min. 40% mietpreisreduzierter,
geförderter Wohnungsbau, hohe ökologische Standards wie autoarmes Wohnen (S-
Bahn-Nähe), emissionsarmes Bauen und Wohnen mit innovativen Energiesparmodellen,
überdurchschnittliche Grünflächenanteile, hoher Anteil an Erholungsflächen für
die Allgemeinheit und vor allem Schonung der landschaftsprägenden Elemente des
Auenbereichs. Im Rahmen einer planerischen, ergebnisoffenen Vorprüfung ist zu
untersuchen, ob diese Forderungen bzw. Ziele überhaupt realisierbar sind.
Für Neubauten müssen allgemeine Vorgaben erarbeitet werden, die u.a. moderne und
effiziente Heizsysteme, Dachbegrünung und Photovoltaikanlagen umfassen können.
Im Bereich der Bestandswohnungen und -häuser wäre die Einrichtung einer
Beratungsstelle für klimaeffiziente Sanierungen sinnvoll. Ressourcenschonendes
und energiesparendes Bauen und insbesondere der Einsatz klimaneutraler Baustoffe
u.a. bei Gebäudehülle und Dämmung soll verstärkt werden. Insbesondere städtische
Neubauten und Neubauten durch die Wohnbau GmbH müssen klimaneutral entstehen. Es
darf jedoch keine Erhöhung des Mietpreises unter dem Deckmantel der ökologischen
Sanierung geben.
STÄDTEBAULICHE QUALITÄT
Durch eine nachhaltige Stadtentwicklung soll die Aufenthaltsqualität in Mühlheim
deutlich verbessert werden. Es sollen Begegnungsorte für alle Bürger*innen und
ein sozial verträgliches Miteinander geschaffen werden. Wir fordern innerhalb
einerqualitätvollen Stadtentwicklungsplanung die Erarbeitung eines
Gestaltungskonzepts für Altstadtkerne und stadträumlich bedeutsame Orte. Ebenso
ein Konzept zur Regulierung von Vergnügungsstätten wie Spiel- und
Automatenhallen, Spielcasinos und -banken sowie Wettannahmestellen, die vielfach
mit ihrer Bereitschaft zu hohen Mietzahlungen die Innenstadtmieten hochtreiben
und klassischem Einzelhandel und Dienstleistern das Leben schwer machen.
Die unbefriedigende Verkehrs- und Ladenentwicklung der Ortskerne muss gemeinsam
mit Eigentümer*innen, Anwohner*innen und allen Mühlheimer*innen neu gedacht und
aufgewertet werden.
Das Stadtbild in der Mühlheimer Altstadt und an der Brückenmühle muss erhalten
und verbessert werden. Der Bereich der Brückenmühle und des Brückenmühlparkplatz
muss u.a. durch Baumpflanzungen, eine Brücke und das Ersetzen des Industriezauns
durch eine der Mühle angemessene Zaungestaltung erheblich aufgewertet werden.
Die Belebung der Mühlheimer Altstadt durch eine Verpachtung des städtischen
Gebäudes „Abtshof“ als Restaurant oder für bürger*innennahe
Stadtentwicklungsprojekte ist uns ein wichtiges Anliegen.
Wir uns weiterhin für ein Ortszentrum in Lämmerspiel ein, das dem Stadtteil eine
Mitte gibt, zum Treffen und Verweilen einlädt und mit grünen und freundlichen
Freiflächen Aufenthaltsqualitäten aufweist. Es sollte geastronomische Angebote
machen und der täglichen Versorgung, auch mit Dienstleistungen, dienen. Neuer
Wohnraum muss in erheblichem Umfang auch im bezahlbaren Bereich liegen und
sollte nicht vom Niveau aktueller Eigentumswohnungen geprägt sein. Wir
positionieren uns klar gegen Baudichte und Gebäudeformen, wie sie auf dem
Bendergelände entstanden und für das Waitz-Gelände zu erwartet wird.
Insbesondere bezüglich der Nahversorgung im Markwald setzen wir uns weiterhin
ein, dass im gesamten Stadtgebiet alle Bürger*innen und insbesondere
hilfsbedürftige Senior*innen eine Möglichkeit haben, stetige Versorgung zu
erhalten. Hierfür kommt für uns ein städtisches Programm in Frage, das
Einkaufshilfen vermittelt und anfänglich mitfinanziert. Hier spielt nur die
Maximierung der Verkaufsrenditen eine Rolle, ohne sich um die Bedingungen der
Nachbarschaft wie der Anforderungen der Gesamtstadt zu kümmern.
Das Naherholungsgebiet darf nicht weiter nur verwaltet, sondern muss aktiv
gestaltet werden. Durch die Einrichtung eines Natur- und Geschichtslehrpfades,
der Aufwertung des Grill- und Spielplatzes und Renovierung der Wege und
Aussichtsplattformen soll das Naherholungsgebiet wieder zu einem zeitgemäß
gestalteten Begegnungsort werden.
Eine Entstehung neuer Gewerbegebiete ohne ein gesamtstädtisches
Gewerbeflächenentwicklungskonzept darf es für uns nicht mehr geben.
WER DIE GRÜNEN IN MÜHLHEIM WÄHLT, ENTSCHEIDET SICH FÜR:
- den "Masterplan Mühlheim 2040" als nachhaltigen, zukunftsorientierten und
das gesamte Stadtgebiet umfassenden Stadtentwicklungsplan
- intensive Bürger*innenbeteiligung bei allen Mühlheimer
Bebauungsplanprojekten
- die Einrichtung eines Gestaltungsbeirats, der bei Projekten mit Bedeutung
für das Ortsbild aufgrund ihrer Lage oder Größe in Gestaltungsfragen berät
- eine sozialgerechte Bodennutzung, bei der private Ivestor*innen bei
Projekten mit Bebauungsplan die benötigte soziale und technische
Infrastruktur sowie einen 30% Anteil an geförderten Wohnungen
mitfinanzieren
- mehr bezahlbaren und sozialen Wohnraum für alle Lebensphasen
- eine ökologische Stadtentwicklung, die Versiegelung minimiert, Begrünung
schafft und energiesparendes Wohnen und Bauen unterstützt
- mehr Begegnungsorte für alle Mühlheimer*innen
- eine Aufwertung der Bahnhofstraße und des Brückenmühlparkplatz, der
Ortskerne und des Naherholungsgebietes
- eine evtl. Augenwald-Wohngebietsentwicklung nur unter zwingenden
Bedingungen: min. 40 % mietpreisreduzierter Wohnungsbau, innovative
ökologische Zielsetzungen und ein bürgerintegriertes Wettbewerbs-
Verfahren.